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TAUFRISCHER GREIS

Quelle: Restaurantführer NZZ

Sollte der nahe Herbst den raren lauen Nächten des scheidenden Sommers noch einige hinzufügen, sei ein Abstecher zum Kastaniengarten des «Alten Löwen» in Zürich Oberstrass warm empfohlen. Während es im hübschen Gastraum recht eng und laut werden kann, knirscht unter den Bäumen der Kies unter den Sohlen des eifrigen Servicepersonals. Das dezente Biergarten-Idyll erinnert uns an Wolfgang Borcherts köstliche Geschichte «Schischyphusch oder Der Kellner meines Onkels», in der allerdings der Friede empfindlich gestört wird. Das befürchten wir hier nicht – auch wenn uns die architektonische Kälte des öffentlichen Platzes nebenan, die wohl für wahre Urbanität stehen soll, die Galle hochtreibt.

Ein paar Jahre zurück liegt der politische Streit um das Lokal. Der Abbruch des uralten Hauses wurde verhindert, nach einer Renovation durch Baurechtnehmer Urs Räbsamen und einigem Hin und Her übernahm 2008 das Ehepaar Maria und Robert Burri-Lutz die Pacht. Es hauchte dem greisen Tierreichkönig neues Leben ein. Die farbigen Metalltische und die lange Holztafel mit weiteren 20 Plätzen sind bei unserem Besuch gut besetzt, wobei da draussen auch Kinder gut aufgehoben sind. Zum hohen Anteil an über fünfköpfigen Gesellschaften trägt wohl die gesellige Komponente der «Tavolata» bei, zu der die Pächter eine Apulien-Reise inspiriert hat: Für 55 Franken pro Person gibt’s einen Surprise-Dreigänger mit mehreren Varianten pro Gang, wobei sich alle am Tisch frei von den Schüsseln bedienen. Ein Bauch, der danach noch knurrt, könnte ein Fall fürs Magenband sein.

Zwar eröffnen sich à la carte einige Verheissungen, doch unser Vierertisch lässt sich auf die Hausspezialität «Tavolata» ein, was die Kellnerin mit bestätigendem Lächeln quittiert. Den krönenden Auftakt bilden grossteils hervorragende Antipasti aus aller Welt, samt kaltem Braten «steirischer Art». Auf Pasta – die in Zürich omnipräsenten Ravioli Patrizia Fontanas und feine Casarecce – folgen an diesem Abend Secondi Piatti in Form herzhafter Rindpaillards und saftiger Stubenküken. Wiewohl satt, runden wir das Ganze mit einer köstlichen Kugel hausgemachten Sorbets von dunkler Schokolade ab (Fr. 5.-), das in Italien en vogue ist. Und die Sauerrahm-Glace, die eine trotz zu weichem Boden feine Tarte Tatin (Fr. 12.50) begleitet, bietet der vielerorts aufgetischten Version des Lokalmatadors Sorbetto absolut Paroli.